
Ich habe die Bildschirme satt, ich will endlich wieder Menschen wirklich sehen! Ich will ihnen körperlich nahe sein, Hände schütteln, umarmt werden und jemand tief in die Augen schauen. Doch Abstand halten ist die Devise. Distanz, komm mir nicht zu nahe!, sagen die Augen vieler noch. Da ist Sehnsucht nach Nähe und Angst vor Nähe. Was passt, was ist angemessen, was stillt die Sehnsucht und wahrt die notwendige Distanz? Da will etwas gelebt werden, was ganz wichtig ist für unser Menschsein, und genau das kann das Menschsein andere gefährden. Schwierige Balance!
Was hilft?
Innehalten hilft!
Sich Zeit nehmen, sich mal wieder rausnehmen aus den Bildern, die auf uns einprasseln, und auf die wir starren. Innehalten und ausatmen, einatmen – ausatmen. Punkt. Ziehen lassen, was mich treibt: Die Sorge, die Angst, die Verpflichtung – sein, einfach sein – und atmen. Und wieder ins Spüren kommen, mich spüren und dadurch auch die anderen wieder spüren. Mit mir geduldig sein, in Kontakt mit anderen zu kommen braucht Zeit, das gilt auch für mich. Ich darf mir die Zeit geben, weil es wichtig ist. Wichtig für mich und die anderen.
Still werden, das Rauschen in den Ohren der Welt und in meinen eigenen ausblenden und hören, was sich in mir meldet. Es gilt dabei nichts vordergründig zu tun, eher etwas zu lassen. Ablassen von den Dingen, die mich treiben, zulassen, dass sich meine wirklichen Bedürfnisse melden. Einlassen auf sie, was davon kann ich stillen? Was tut mir gut? Wo gilt es auf die Bedürfnisse anderer zu achten? Verlassen darauf, dass mein Gefühl mich führt, wenn ich mir Zeit gebe und mich öffne. So wie Holzschnitzer oder Bildhauer immer mehr weglassen, damit sich immer mehr das Wesentliche zeigt, das was Bestand hat.
Dann reden, offen über mich und wertschätzend über andere. Hauptsächlich reden, einfach drauflos, es braucht keinen großen Plan, wenn ich in wertschätzendem Kontakt mit mir und meinem Gegenüber bin. Sagen, was ist, was wirklich ist – und hören, was ist, was wirklich ist. Dann wieder innehalten, diesmal gemeinsam. Das Gehörte und das Gesagte wirken lassen. Reinspüren, ob sich was Neues ergeben hat, und wieder reden, über das Alte, das Neue und was noch werden wird. Aushalten, wenn es nicht angenehm war, das Gemeinsame suchen und sehen lernen und wieder reden. So einfach…!?
Bewegung hilft
Raus aus dem Sessel, dem Raum, der Wohnung, dem Haus, der Gasse, dem Wohnort, der Stadt – raus!
Alles beginnt mit dem Aufstehen aus dem Sessel, der berühmte erste Schritt – so einfach, so schwer. Einmal aufgestanden ist es leicht, jede Bewegung ist gut, sie lässt mich spüren, dass ich am Leben bin. Los geht’s mit den einfachsten Dehn- und Kräftigungsübungen, die jeder von uns schon mal irgendwann gehört oder gemacht hat. Einfach tun! Hauptsächlich raus aus dem Sessel. Nein, ich brauch kein YouTube Video dazu – wenn es mir hilft und wichtig ist, kann ich natürlich wieder den Schirm einschalten – aber es geht auch ohne. Lieber reinspüren, wonach meinem Körper ist – NEIN! Die Schoki kriegt er jetzt nicht! Vielleicht später, nach der Bewegung. Einfach schauen, wie hab ich meinen Körper schon lange nicht bewegt. Und wenns zieht, vorsichtig daran bleiben. Es darf ziehen, es soll nicht wehtun. Und wenn die Muskeln weinen, und der erste Schweiß kommt – nach der Bewegung ist Zeit genug sie mit der Schoki zu trösten. Einfach tun, mal ausprobieren, welche Bewegungen guttun, auch wenn sie vielleicht ein bisschen anstrengend sind. Unser Körper hat so viele tolle Möglichkeiten sich zu bewegen, wie viele davon haben Sie schon ausprobiert?
In die Natur gehen
Der Balkon, der Garten, der Park, die Wiese, der Wald – die Natur tut so gut. Im Kontakt mit der Natur kommen wir unserem wahren Naturell wieder auf die Spur. Wir kommen aus der Natur und sind natürlich noch immer ein Teil von ihr, auch wenn wir das gerade jetzt nicht so empfinden. Heißt, der Kontakt zur Natur bringt uns mit Ursprünglichen in Kontakt, mit Heilsamem, Entschleunigendem, Beruhigendem. Die erste positive Wirkung auf uns haben schon Bilder der Natur. Das Betrachten von Bildern von Meereswellen, verbunden mit den entsprechenden Geräuschen, verbindet Hirnareale in unserem Kopf und fördert die Entspannung. Das Betrachten von Bildern mit den entsprechenden Geräuschen von Autobahnkreuzen löscht diese Verbindungen wieder. Ist doch spannend, oder? Die positive Wirkung geht weiter mit einer Zimmerpflanze, die ich bewusst im Raum habe, die selbst gezogenen Tomaten am Balkon, ganz zu schweigen von der Bewegung in der Natur. Da geht es dann hauptsächlich darum einfach in der Natur zu sein. Da muss ich dann gar nichts besonders tun. Schauen, hören und atmen – that’s it! Und auf mich wirken lassen, was mich umgibt.
Also, geben Sie Ihrem Bildschirm einen Abschiedskuss, und wenn er schmollt … fragen Sie ihn einfach nachher, wie gut es sich angefühlt hat, dass er mal Pause machen durfte. 😉
MAG. KLAUS PAHR
Klaus Pahr ist Spezialist für Burnout Vorbeugung und Resilienztraining. Seit 1995 arbeitet er als Coach und Trainer – unter anderem auch in den Themenbereichen Kommunikation, Teambuilding und Konfliktlösung in internationalen Unternehmen und großen Organisationen.
Er ist Lehrbeauftragter an der Donau Universität Krems, am Austrian Institute of Management, an der European Peace University und Referent für die UNO.
Klaus Pahr lebt im Südburgenland. Er liebt die Natur und besonders den Wald, den er zu einem seiner Arbeitsorte gemacht hat.